Psychologen, Ethnologen, Biologen, Philosophen und Kreative – mit der Natur, ihrer Kraft und Wirkung haben sich schon viele Menschen auseinandergesetzt. Warum? Der österreichische Schriftsteller Ernst Ferstl fasst es perfekt in einem Satz zusammen: „Die Natur ist ein guter Ort, um unsere Natürlichkeit zu finden.“ Und genau darum geht es.
Von der Entwicklung her betrachtet, haben wir seit Anbeginn der Menschheit die meiste Zeit draußen im Freien verbracht. Und das obwohl bestimmt auch eine vom Feuer gewärmte Höhle so etwas wie ein Wohlgefühl auslösen konnte. Draußen hat alles stattgefunden und die Natur bot einen wichtigen Raum, um Nahrung zu finden, tierische Gefährten und vor allem, um evolutionäre Abenteuer zu bestehen, die uns Schritt für Schritt dorthin gebracht haben, wo wir heute sind. Erst mit den letzten Generationen haben wir uns verändert und uns immer mehr zurückgezogen – hinein in unser und andere vier Wände. Wir wurden zu echten Indoor-Menschen, was wohl darin gipfelt, dass wir uns mittlerweile sogar zum Biken und Schifahren eigene Hallen bauen, damit uns die Natur nichts anhaben kann und uns weder den „Fun-Faktor“ trübt noch unsere Zeitpläne durcheinanderbringt.
Natur-Defizit-Syndrom
Der amerikanische Schriftsteller Richard Louv hat es als „Natur-Defizit-Störung bezeichnet und inzwischen gibt es zu dieser steigenden Entfremdung zur Natur bereits zahlreiche Studien und Untersuchungen. Louv erklärt es so: „Beim Natur-Defizit-Syndrom handelt es sich nicht um ein klinisch anerkanntes Leiden, sondern vielmehr um einen Begriff, der die verlorengegangene Kommunikation mit anderen Lebewesen in Erinnerung ruft.“ Weiter meint er, dass darüber hinaus „das Natur-Defizit-Syndrom Auswirkungen auf die Gesundheit, das geistige Wohlbefinden und viele andere Bereiche hat, wie etwa die Fähigkeit [der Menschen], sich lebendig zu fühlen.“
Sind wir heilbar?
Hier kommt nun das Waldbaden ins Spiel als einfache Methode gegen dieses „Natur-Defizit-Syndrom“ anzugehen. Denn wie es für das Defizit zahlreiche Belege über seine negativen Auswirkungen auf den Menschen gibt, haben im Umkehrschluss viele Untersuchungen die positiven Auswirkungen von mehr Natur auf uns bewiesen. Unser Körper reagiert ganz instinktiv auf die Natur, da sie ja ursprünglich und schon immer sein Wirkungsbereich war. Wenn wir uns in der Natur, im Wald aufhalten, werden wir wieder zu einem Teil dieser Umgebung. Wir kehren sozusagen zurück zur Natur und auch zu uns selbst, zu unserem natürlichen Wesen. Gerade den heute heranwachsenden Kindern ist dieses Gefühl abhandengekommen und auch das Interesse an Zusammenhängen von Mensch, Tier und Pflanzen. Dem versuche ich zum Beispiel mit speziellen Familienevents entgegenzuwirken.
Weg vom Alltag – zurück zur Natur
Waldbaden ist eine bewusste Auseinandersetzung mit der Natur. Und wenn man sich für etwas interessiert, kehrt auch die „kindliche“ Neugierde wieder zurück und man möchte mehr darüber erfahren. Durch das Beschäftigen mit der Natur und dem Wald, wird man wieder achtsamer, man beobachtet zum Beispiel bestimmte Pflanze und nimmt über das Jahr ihre Veränderung wahr. Dies steigert sich und wird quasi zum Selbstläufer. Man taucht immer mehr in diesen Erfahrungsschatz ein und erkennt wieder die Zusammenhänge. „Being-Away“ diesen Begriff hat das amerikanische Psychologenehepaar Rachel und Stephen Kaplan begründet und meint damit das „Wegsein vom Alltag“. Und damit sind genau jene bewussten Aufenthalte in der Natur, die den Menschen sehr schnell eine gesunde Distanz zum Alltag herstellen lassen. Eine Distanz, die unserem Körper und vor allem auch unserem Kopf guttut, der dadurch wieder neue Gedanken, Ideen und Lösungen entwickeln kann. – Also auf zum Waldbaden und zurück zur Natur!